Wird der Anlasser schon bald arbeitslos?
Direkt einspritzende Benzinmotoren lassen sich bei entsprechend ausgeklügelter Steuerung ohne Anlasser direkt starten. Neue Systeme stehen vor der Serieneinführung.
Direkteinspritzender Benzinmotor: Direktstart entlastet den Anlasser
Mehr auf der Automobil Revue:
Noch vor wenigen Jahren hat man sich gestritten, ab welcher Stillstandzeit sich das Ausschalten des Automotors an der Ampel aus Verbrauchs- und Emissionsgründen lohnen würde. Je nach ideologischer Botschaft, die herübergebracht werden wollte, bewegten sich die Angaben zwischen etwa 10 und 30 Sekunden.
Heute, wo bekanntlich auf sämtlichen Gebieten alles ein bisschen schneller gehen muss, wird auch das erwähnte Abschaltintervall ganz anders beurteilt. Bereits ab einer Motorstillstandszeit von rund 1 Sekunde soll sich bei optimaler Abstimmung des Start-Stopp-Systems ein positiver Effekt auf den Treibstoffverbrauch einstellen.
Start-Stopp-Systeme
Immer mehr Fahrzeuge werden heute mit den sogenannten Start-Stopp-Systemen ausgestattet, denn damit lassen sich die Treibstoffverbrauchswerte weiter verringern – je nach Einsatzbedingungen in marginalem bis signifikantem Ausmass.
Dank kontinuierlich weiterentwickelter Systemkomponenten sind immer mehr Fahrzeuge beziehungsweise Antriebssysteme in der Lage, solche Systeme zu integrieren. Benziner wie Diesel lassen sich mittlerweile schnell und zuverlässig wieder starten; selbst Fahrzeuge mit Drehmomentwandler sind dazu in der Lage (vgl. AR 18/2008). Optimierungspotenzial auf diesem Gebiet ergibt sich auch mit dem sogenannten Direktstart: Den Motor direkt zu starten bedeutet, dass weder ein Anlasser benötigt wird noch Handkurbel und Muskelkraft bereitzustellen sind. Dementsprechend kann mit einem Direktstartsystem sowohl Gewicht als auch Einbauraum gespart werden.
Unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren des Systems ist ein fremd gezündeter, mit strahlgeführter Direkteinspritzung arbeitender Verbrennungsmotor. Von dieser Gattung sind in jüngster Vergangenheit viele auf den Markt gekommen, sodass auch der Zeitpunkt der Serieneinführung eines ersten Direktstartsystems näherrückt.
Der Benziner lässt sich ohne Anlasser starten, wenn in einen Brennraum mit im oberen Totpunkt stehenden Kolben Treibstoff eingespritzt wird und anschliessend ein Zündimpuls erfolgt. Weil gegen Ende dieses Verbrennungsvorgangs aber ein anderer Kolben am Ende des Verdichtungstaktes ist und damit einen grossen Gegendruck erzeugt, reicht diese Einzelzündung nicht aus, um den Motor sicher zu starten.
Aus diesem Grund ist die Abstimmung von Kolbenstellung, Ventiltrieb, Einspritzung und Zündzeitpunkt extrem diffizil. Der Motor müsste zum Neustart in einer ganz genau definierten Stellung angehalten werden können. Ausserdem gilt es, die thermischen Gegebenheiten im zu startenden Triebwerk zu berücksichtigen. Bei zu kaltem Motor reicht das Startdrehmoment nicht aus für ein sicheres Anlaufen, bei zu hohen Temperaturen ergibt sich wegen der zu geringen Luftdichte keine ausreichende Zylinderfüllung.
Unterstützender Anlasser
Beim heutigen Stand der Technik und angesichts der beträchtlichen Schwierigkeiten bei der praktischen Realisierung solcher Systeme rechnen die Entwickler damit, dass der Direktstart zwar möglich ist, aber für das zuverlässige Funktionieren unter allen denkbaren Betriebsbedingungen ein Starter noch immer nötig ist. Dieser könnte allerdings bedeutend kleiner dimensioniert sein, brächte also weniger Gewicht ein und wäre mit weniger Energie zu betreiben. Die Entwickler sprechen in diesem Fall vom «anlasserunterstützten Direktstart». Wer schliesslich das erste Fahrzeug mit einem Direktstart-Benziner auf den Markt bringen wird, ist noch nicht bekannt, doch dürften deutsche und japanische Anbieter an vorderster Front zu finden sein. Mazda beispielsweise wird ab 2009 einige Modelle mit dem Direktstartsystem SISS (Smart Idle Stop System) ausstatten.
Auf den guten alten Anlasser wird man also nicht so schnell völlig verzichten können. Allerdings werden wir ihn vermehrt in wesentlich schlankerer Gestalt antreffen.
Den Artikel finden Sie in der Ausgabe 19/2008 der «Automobil Revue», welche Sie natürlich auch online abonnieren können.
AR 19 vom 7.5.2008