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Drum prüfe, wer sich ewig bindet – Auto-Emotion und ihre Fallstricke

DAR 12/2008
Von Dipl.-Ing. Klaus Kukuk, Overath

Wer sich dem „Objekt der Begierde“ in Form eines Oldtimers nähert, dem können ernst zu nehmende Checklisten helfen, die „Auto-Emotion“ etwas abzukühlen, was zugegeben, fast unmöglich ist, da Sammelleidenschaft und Jagdfieber schnell den klaren Blick trüben. Dies gilt nicht nur für normale Kaufinteressenten, auch der Oldtimer-Sachverständige wird nach einem Schema / einer Checkliste vorgehen müssen, um sich auf das Objekt zu konzentrieren und um, so banal wie es klingt, nichts zu vergessen!

Wir haben Ihnen hier eine solche Checkliste im pdf-Format zum herunterladen bereitgestellt.

I. Untersuchungsumfang
Das gesamte Auto wird untersucht. Ich persönlich nehme gerne die Oldtimer-Markt-Checkliste von 12/85–03/861 oder die beiden Prüflisten von Winfried Seidel2 „Prüfung eines restaurierten/unrestaurierten Fahrzeuges“ zur Hand.

II. Identifikation
Das Typenschild, die Fahrgestellnummer, die Body- und Motornummer sowie die Getriebenummer, gegebenenfalls die Nummern der Lenkung und weiterer Aggregate werden aufgenommen und fotografiert. Mittels naturwissenschaftlicher Prüfmethoden3 werden die Nummern als Prägekennzeichnung untersucht. (Doppeleinschlag/Materialmanipulation etc.) Jedoch, wo stehen die Nummern und wie sehen Sie aus? (Schrifttyp/Einschlagart etc.) Hier helfen gern die Typreferenten der Markenclubs, wenn Herstellerunterlagen fehlen. Mit dem zuständigen Archivar des Herstellers oder Markenclubs wird Kontakt aufgenommen und die Fotos der Prägekennzeichen/ Typenschilder zugesandt, die dann mit den Aufzeichnungen verglichen werden können.

III. Echtheit
Dass die Echtheit eines Oldtimers ganz wesentlich seinen Wert bestimmt, erscheint ein Allgemein-Platz, der kaum erwähnt werden muss. Der Eklat um den gefälschten Porsche 2,7 RS eines Sammlers im letzten Jahr hat jedoch gezeigt, dass auch eine vermeintliche Absicherung durch entsprechende Verträge keinen Rundum-Schutz bedeutet. Der Hinweis auf mögliche naturwissenschaftliche Analysen eines Fahrzeuges hilft nur bedingt weiter, da entgegen landläufiger Meinung
die Echtheit nicht belegt werden kann. Materialuntersuchung, Prägekennzeichenprüfung nach Methode Fry etc. können ein Fahrzeug immer nur abschreiben, nie zuschreiben. Diese Zuschreibung muss, und hier liegt das Problem, stets im Gesamtzusammenhang aller Fahrzeugbauteile in Verbindung mit der nachgewiesenen, fahrzeugspezifischen Historie erfolgen.
IV. Erhaltungszustand
Der Erhaltungszustand ist wichtig und gehört zu den wertbildenden Faktoren eines Fahrzeuges. Hierzu verweise ich nochmals auf die o.g. Markt-Checkliste.

V. Rahmen/Bodengruppe
Der Rahmen bildet das Rückgrat alter Fahrzeuge und auch bei den selbsttragenden Karosserien ist die Bodengruppe oft durch Kastenrahmenstrukturen verstärkt. Er wird gegebenenfalls vermessen und mit Originalzeichnungen verglichen. Das Material des Rahmens kann mittels mehrerer naturwissenschaftlicher Methoden4 teilweise zerstörungsfrei geprüft werden. Schweißnähte (zusätzliche! bei verkürzten Rahmen) können mit Ätzmethoden5 festgestellt bzw. geprüft werden. Schweißzusatzstoffe und Rahmenmaterialien werden gegebenenfalls mit Dekadendaten6 verglichen. Schließlich ist der Rahmen/die Bodengruppe auf Unfallbeschädigungen und Korrosionsbefall gegebenenfalls mittels Endoskop zu untersuchen.

VI. Karosserie
Ist das Fahrzeug original karosseriert? Stimmen Material und/oder Struktur sowie die Maße? Wurde nicht aus einem minderwertigen Fahrzeug des Herstellers ein hochwertigeres„ gefaked“, in dem z.B. aus einem Saloon ein „Le Mans“-Special wurde? Selbstverständlich muss auch die Karosserie auf Unfallbeschädigungen untersucht werden. Wieder helfen Typreferenten der Clubs, Herstellerarchivare und o.g. naturwissenschaftliche Methoden bei der Prüfung. Schließlich stellt
sich noch die Frage, wieviel Originalteile, die evt. 1940 die Zielflagge der Mille Miglia gesehen haben, heute noch existieren und nicht zwischenzeitlich nachgebaut wurden.
VII. Aggregate
Die Achsen und die Bremsanlage werden auf Zustand und Originalität geprüft. Hat der Porsche 356 Carrera 2000 GS-GT die Ringbremse, mit der er ausgeliefert wurde? Daneben sind Differential, Getriebe und Motor auf Zustand und Originalität zu untersuchen. Hat der Ford GT 40 das originale ZF-Getriebe. Stimmt die Kurbelwelle mit den großen Schraubwangen beim BMW 328 MM?

VIII. Innenausstattung/Verdeck

Die Sitze, Verkleidungen das Verdeck werden auf Originalität bei Material und Verarbeitung geprüft.

IX. Chrom/Nickel/Messing/Kupfer etc.

Sind die Zier und Anbauteile aus den typgerechten Materialien gefertigt und zeitgerecht galvanisiert? Wie sind Zustand, Ausführung und Montage zu bewerten?

X. Elektrik
Wurde der Kabelbaum zeitgemäß revidiert? Ist z.B. der 24-Volt-Regler funkentstört wie für den Fahrzeugtyp vorgesehen?

XI. Lack
Die Lackuntersuchung stellt den wichtigsten Punkt dar, um ein „unberührtes Auto“ zu ermitteln. Dabei ist die Schichtdickenmessung eine Pflichtübung für jeden Sachverständigen. Die erste Lackierung in Verbindung mit einer unbeschädigten Karosserie/Rahmen ist eine mit naturwissenschaftlicher Messtechnik relativ unkompliziert zu ermittelnde „Garantie“ für das Alleinstellungsmerkmal, dass das Fahrzeug sich noch im Originalzustand befindet. Welch eine Seltenheit ist es, wenn ein Porsche 2,7 RS im Erstlack oder ein Bugatti 35 C Grand Prix im vollständigen Originalzustand vor einem steht. Aber was passiert, wenn ein solches Fahrzeug in einen Unfall verwickelt wird? Die Einmaligkeit/ das Herausstellungsmerkmal ist dahin und der Wert erheblich gemindert!

XII. Historie
Die fahrzeugspezifische Historie mit Herstellungsnachweis und Nachweis aller Vorbesitzer und der Laufleistung mittels vorgelegter Rechnungen und/oder Fahrtenbücher, die die Bewegungen der Fahrzeuge dokumentieren, ist zu prüfen.

XIII. Provinience
Als RM-Auctions am 18. 5. 2008 in Maranello verschiedene zertifizierte Ferraris versteigerte, erzielte der Ferrari 250 GT SWB California Spider aus dem Jahre 1961, ersteigert von Herrn Chris Ewans und taxiert auf 3.000.000 € bis 3.500.000 € ein Zuschlag von 7.040.000 €. Vorbesitzer war der 2002 verstorbene Oskarpreisträger James Coburn. Der Mythos berühmter Persönlichkeiten kann auch durchaus profane Fahrzeuge nobilitieren, wie den VW Golf des Papst Benedikt
XVI, der für 188.938,88 € im Internet versteigert wurde.

XIV. Der Allgemeine Markt
Es ist auch dazu Stellung zu beziehen, ob ein Fahrzeug schon einmal im Handel war und wann es auf einer Auktion zuschlagen wurde. Da Datenbanken diese Recherche heute leicht möglich machen, gehört es zu den Aussagen über die Qualität eines Fahrzeuges, aufzulisten, ob das Objekt in der Vergangenheit bei einer Auktion durchgefallen ist bzw. zu welchem Preis es früher zugeschlagen wurde.

XV. Qualität
Selbstverständlich gehört die Qualität eines Fahrzeuges zu den wertbildenden Faktoren. Der Streit, ob es sich dabei um ein subjektives oder ein objektivierbares Bewertungskriterium handelt, erscheint müßig. Der Umstand, dass die Qualität eines Fahrzeuges sich nicht jedem Laien gleich erschließt, ist noch kein Beleg dafür, dass es Qualitätsgesichtspunkte bei der Bewertung von Fahrzeugen nicht gebe. Fahrzeuge wie z.B. der DB 300 SL Flügeltürer, die sich aus einer Rennwagenkonstruktion ableiten, haben sicherlich eine andere Qualität als der vom selben Hersteller auf den Markt gebrachte 190 SL, der auf der verkürzten Bodengruppe des 180er steht. Auch wenn die qualitative Bewertung eines Fahrzeuges schwierig sein mag, darf man diesen Punkt nicht aussparen, da sonst die Bewertung unvollständig bleibt.

XVI. Marktgängigkeit.
Wer 2008 in Essen über die Techno-Classica schlenderte, wurde in Halle 3 von Porsche 911 Fahrzeugen erschlagen. Das zeigt, dass diese Fahrzeuge derzeit an Marktgängigkeit kaum zu übertreffen sind. Schwieriger ist die Beurteilung in anderen Fällen. Zum Beispiel weist ein Swallow eine weitaus höhere Marktgängigkeit auf als ein Avon, obwohl beide mit einer Aluminium Karosserie auf einem Standard- oder Austin Seven-Chassis aufgebaut sind. Nur, aus Swallow wurde Jaguar
und die New Avon Body Company existiert nach ca. 80 in den 30er Jahren gebauten Fahrzeugen nicht mehr. Der geneigte Leser mag somit – ohne dass der „Streifzug“ zur gutachtlichen Einschätzung eines Oldtimers einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt – ein Gespür dafür entwickeln, auf welche Punkte er achten sollte, damit die Beziehung mit dem „Oldtimer-Objekt der Begierde“ nicht mit bösenÜberraschungen (auf dem Autofriedhof) endet.

Streiflicht DAR 12/2008
1 Oldtimermarkt 12/85, S. 62; 1/86, S. 30; 2/86, S. 44; 3/86, S. 48
2 Winfried Seidel Ladenburg, www.veterama.de
3 Adler-Ätzung; Frysche-Ätzung: Hermann Schumann, Metallographie, 13. neu bearbeitte Auflage, Leipzig, Dt. Verlag für Grundstoffindustrie, 1990, S. 738
DAR-Service 736
DAR 12/2008
4 Optische Emmisionsspektroskopie mit Bogen und Funkenanregung/Spektroskopie mit Glimmentlackungsanregung
5 Adler-Ätzung, siehe Fn. 3.
6 Dipl.-Ing. Dieter Orbach [dieter.orbach@fh.koeln.de]

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