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Rundum in festen Händen

Die Aktivlenkung von BMW beweist, dass bei den Lenkungen noch etwas geht.

Eine Schweizer Firma glaubt, den mechanischen Quantensprung geschafft zu haben.

Das Funktionsprinzip der PSS-Lenkung, leicht durchschaubar gemacht. / Automobil Revue

Die Suche nach einer möglichst direkten und trotzdem spurstabilen und leichtgängigen Lenkung hat schon manchen Erfindergeist ins Grübeln gebracht – nicht zuletzt in der Schweiz (Wandfluh-Lenkung, vgl. AR 10/1999 und 27/2001).

Werner Bless und Erwin Rott im zürcherischen Rüti haben unter dem Patent PCT/EP 2006 /000559 eine Erfindung angemeldet, die sowohl bei Ford, Mercedes, Opel und Porsche als auch beim Lenkungsspezialisten ZF in Friedrichshafen auf grosses Interesse gestossen ist. Aber den Durchbruch haben sie trotz geringer Herstellkosten noch nicht geschafft.

Probefahrten und Parkiermanöver haben gezeigt, dass die PSS-Lenkung (Progressive Safety Steering) Zukunftspotenzial besitzt. Rund 30 Instruktoren des Touring Clubs Schweiz (TCS) und des Verkehrssicherheitszentrums Veltheim (VSZV) hatten Gelegenheit, ihre Erfahrungen mit der PSS-Lenkung zu Protokoll zu geben. Die Spezialisten beurteilten die neue Technik, die sie mit einem Porsche Boxster «erfuhren», äusserst positiv. Sie nannten den Komfortgewinn beim Parkieren als überragend, das Fahren in der Stadt als spürbar angenehmer, den Sicherheitsgewinn über alles gesehen als spürbar bis gut und die Angewöhnung als problemlos.

Diesen Einschätzungen kann sich die AR nach ersten Probefahrten mit dem inzwischen um rund 40000 km gealterten Boxster anschliessen.

Probelenken

Speziell das Einparken mit der PSS-Lenkung ist ein «Aha»-Erlebnis, Ausweichmanöver auf Autobahnen waren trotz der sehr spontanen Reaktion problemlos, und die Angewöhnung kaum der Rede wert. Von Anschlag zu Anschlag verlangt die PSS-Lenkung nur 1,5 Umdrehungen, Übergreifen ist somit nie nötig. Weil kein grösserer Kraftaufwand erforderlich ist, kommt die Erfindung der Ideallenkung sehr nahe.

Weshalb es bei keinem der oben genannten Hersteller zum Durchbruch kam, könnte auch daran liegen, dass die Erfindung eine rein mechanische ist, während viele Autohersteller derzeit auf Elektroniklösungen fokussiert sind. Für Bless gibt es auch ein Generationenproblem: Oft werde intensiv an elektronischen Assistenzfunktionen (wie beispielsweise der automatischen Einparkhilfe) herumlaboriert, und es herrsche der Glaube, auf dieser Schiene Ähnliches erreichen zu können wie mit der mechanischen Neukonstruktion aus Rüti. Bless versichert, dass seine Konstruktion mit ESP und anderen Assistenzfunktionen kompatibel sei und sowohl mit hydraulischen als auch mit elektrisch betriebenen Zahnstangen-Servolenkungen funktioniere. Der Platzbedarf für das PSS-Lenkgetriebe ist nicht grösser als für ein herkömmliches Getriebe mit Zahnstange und Ritzel.

Einfaches Funktionsprinzip

Das Funktionsprinzip sieht einfach – um nicht zu sagen simpel – aus, doch musste halt zuerst einer darauf kommen. Das System mit von zwei Seiten aufsteigenden Zahnstangen und halbierten, gerade verzahnten Ritzeln ermöglicht mathematisch die ideale Form der Progression einer Lenkung mit höchstem Wirkungsgrad. Allerdings war sie nicht die erste Version, die Bless und Rott ausgetüftelt haben.

Die AR war bereits 2004 in Rüti oberhalb Rapperswil am Zürichsee und fuhr einen Opel Astra mit neuartigem, rein mechanischem Lenkgetriebe. Schon jenes funktionierte einwandfrei, arbeitete aber mit nur einer einzigen Lenkradumdrehung von Anschlag zu Anschlag. Parkmanöver waren sehr gewöhnungsbedürftig, und gemäss Bless war das System nicht «renntauglich»; ausserdem hatte es aus der Mittellage heraus ein unerwünschtes Trägheitsmoment. Das Geheimnis der ersten PSS-Lenkung lag in einem Ritzel mit zusätzlichem Exzenternocken.

Nachdem jede Menge Stunden und Franken in den Sand gesetzt und Prinzipien über Bord geworfen wurden, spannten die Entwickler ein neues Zeichenblatt ein. Die nun vorliegende Lösung scheint dank praktisch identischem Bauaufwand im Vergleich zu konventionellen Zahnstangenlenkungen eher Erfolg versprechend als das erheblich aufwendigere System von BMW, für das die Kunden einen Mehrpreis von 1810 Franken (im 5er) hinblättern müssen. Weitere Informationen: www.a-win.ch

Den Artikel finden Sie in der Ausgabe 48/2006 der «Automobil Revue», welche Sie natürlich auch online abonnieren könnnen.

AR 48 vom 29.11.2006

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