JOuRNEY
Die Oldtimer Detektivin
Original Artikel: PRINT MAGAZIN
Die große Freiheit
Beide sind auf vier Rädern unterwegs – das war’s erstmal mit den Gemeinsamkeiten. Fahrzeugtechnik Ingenieurin Laura Kukuk ist als Oldtimer-Sachverständige weltweit gefragt und ist von der Nachhaltigkeit dieser überzeugt. Daniel Zellinger von FlixBus schwört auf moderne Busse als umweltfreundlichere Alternative zum Auto. Wohin die Reise geht? Tatsächlich ans gleiche Ziel. Ein Gespräch über die Mobilität von morgen.
Klettern wir einmal kurz auf die Auto-Rückbank Ihrer Kindheit. Woran erinnern Sie sich?
Daniel Zellinger: Meine Eltern besaßen einen Opel, mit dem wir oft zu meinen Großeltern fuhren. Wir Kinder brachten unsere Kassetten mit, die ständig hin- und hergespult wurden, weil wir immer die gleichen Lieder hören wollten.
Laura Kukuk: Oldtimer waren bei uns schon immer Alltagsfahrzeuge. Neben dem Topolino im lokalen Umkreis sind wir aber auch mit unserem ehemaligen Ur-Elfer in den Skiurlaub gefahren. Mein Vater hatte extra Vierpunkt-Gurte anfertigen lassen, damit wir Kinder hinten sitzen konnten. Das Gepäck lagerte auf dem Beifahrersitz, hinten auf der Karosserie waren die Skier befestigt, los ging’s.
Und was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Ihre erste Busreise zurückdenken?
Daniel Zellinger: Da war ich zwölf, es ging zu einer Sprachreise nach Plymouth, England. Die Busse sahen ja noch ein bisschen anders aus als heute, aber ich fand es großartig: Das erste Mal ohne Eltern unterwegs, und dann ist der Bus auch noch auf die Fähre gefahren.
Laura Kukuk: Ich erinnere mich an Klassenfahrten, später dann der erste Urlaub mit Freunden in Südfrankreich. Bei diesen Reisen entstand jedes Mal eine gute Gemeinschaft, man kam mit seinen Nachbarn ins Gespräch, teilte sich die Snacks, wartete zusammen an der Raststätte in der Schlange.
Die coolen Kids saßen ja meistens in der letzten Reihe. Wo saßen Sie?
Laura Kukuk: Immer mittendrin.
Daniel Zellinger: Hinten. Aber eigentlich nur, weil es mir dort am besten gefiel.
Gibt es ein Bus-Klischee, das Sie total nervt?
Daniel Zellinger: Es ärgert mich, dass Busfahren immer als schmutzig wahrgenommen wird. Oft ist von stinkenden Dieselmotoren die Rede, aber das stimmt nicht. Fast alle unsere Busse sind mit neuen Euro-6-Motoren ausgestattet, im Vergleich mit Stadtbussen sind sie auch sehr gut ausgelastet. Also das, was dann pro Kundenkilometer an CO2-Ausstoß rauskommt, ist wirklich extrem gering.
Laura Kukuk: Dieses Vorurteil hält sich auch hartnäckig, wenn Leute über Oldtimer sprechen – weil sie sich nicht die komplette Kette anschauen. Ein Oldtimer ist das Nachhaltigste, was du fahren kannst. Wenn ein Fahrzeug mindestens 30 Jahre auf dem Buckel hat und immer noch in einem guten Zustand ist, so ist dies bereits nachhaltig. Darüber hinaus werden meistens die Bauteile aufwendig überholt und restauriert, anstelle eines kostengünstigeren und weniger nachhaltigen Austauschs mit einem Neuteil. Heute heißt es bei einem Motorschaden sofort: neuer Motor rein. Bei einem Oldtimer ist die erste Instanz immer die Motorrevision.
Was ist in Sachen Mobilität ein absolutes No-Go für Sie?
Daniel Zellinger: Kurzstrecken-Flüge innerhalb Deutschlands.
Laura Kukuk: Es gibt aber auch Sünden auf der Straße: Mit dem Achtzylinder-SUV in der Stadt erst zum Kindergarten und dann zum Yoga fahren. Wenn man im urbanen Stadtverkehr unterwegs ist, wo es kaum Parkmöglichkeiten gibt, und dann mit diesem großen Motor, der überhaupt nicht für Kurzstrecken gemacht ist, ist das völlig absurd. Leider werden immer noch sehr viele SUVs verkauft, und die sind einfach überhaupt nicht nachhaltig.
Wird sich dieser Trend wieder umkehren?
Laura Kukuk: Ich glaube, mit der E-Mobilität werden kleinere Fahrzeuge weiter boomen, weil die Größe ja auch auf die Reichweite einzahlt. Nehmen wir mal diese neuen Autobatterien, die man austauschen kann, wenn keine Ladesäule in der Nähe ist. Nicht die beste Lösung, aber eine gute Übergangslösung. Und die funktioniert nur, weil die Batterien so klein sind. Wo wir wieder bei kleineren Fahrzeugen wären.
Stichwort: Alternative Antriebstechnologien. Wie sieht es da bei Flix aus?
Daniel Zellinger: In diesem Jahr starten wir einen Versuch mit flüssigem Biogas und lassen eine zweistellige Anzahl von Fahrzeugen in ausgewählten europäischen Ländern damit fahren. Aber egal, von welchem Kraftstoff wir sprechen, uns beschäftigen immer die gleichen Fragen: Wo kommt er her? Wie ist der zusammengesetzt? Welcher Kraftstoff wird in welchem Land wie gefördert, wie sieht die Infrastruktur aus? Das ist eine riesige Herausforderung, weil sich unsere Flotte auf so viele unterschiedliche Länder verteilt.
Welche Antriebe testen Sie noch?
Daniel Zellinger: Neben Wasserstoffantrieb und Solar-Panels zur Energiegewinnung haben wir auch Batteriebusse erprobt, aber gemerkt, dass wir sie aufgrund der fehlenden Infrastruktur auf langen Strecken nicht einsetzen können – noch nicht. Bei der Transformation unserer Flotte wird es nicht die eine Antwort geben, die alle Probleme löst, vielmehr läuft es erstmal auf einen Technologie-Mix hinaus. Wichtig ist nur, dass wir sofort loslegen. Je länger wir warten, desto schwieriger wird die Umsetzung.
Abgesehen von Ihrem Job – wie definieren Sie persönlich nachhaltige Mobilität?
Daniel Zellinger: Für mich steht die kollektive Nutzung von Verkehrsmitteln im Vordergrund. Also, dass man sich Fahrzeuge teilt, wann und wo das möglich ist. Das kann durchaus Spaß machen. Generell erreicht man schon viel, wenn man wirklich bewusst reist und versucht, das nachhaltigere Fortbewegungsmittel zu wählen.
Laura Kukuk: Kollektiv oder aber sharing, weil es einfach effizient und nachhaltig ist. Besonders in urbanen Zentren wird uns wahrscheinlich nichts anderes übrigbleiben, als Verkehrsmittel zu teilen. Durch meine Lehrbeauftragung an der TH Köln bin ich immer wieder in zukunftsweisenden und nachhaltigen Projekten rund um das Thema „Zukunft der Mobilität“ involviert. Hier forschen und entwickeln wir an Konzepten und Strategien für die Mobilität von morgen, ganzheitlich und weltweit.
Hand aufs Herz, würden Sie Ihren geliebten Baby-Benz verleihen?
Laura Kukuk: Warum nicht? Allerdings am liebsten an jemanden, der dieses Fahrzeug auch zu schätzen weiß. Da bin ich übrigens nicht die Einzige, es gibt mittlerweile sogar Sharing-Plattformen für Oldtimer.
Ich bin ein Befürworter des Automobilen Kulturgutes und somit trage ich auch die Verantwortung diesen Enthusiasmus und die kulturellen Aspekte weiterzuvermitteln – oftmals geht dies am besten „hinter dem Steuer“, um das Fahrzeug und die Technik zu erleben
Sie haben häufig mit wertvollen alten Autos zu tun. Wie sehr beschäftigt die Besitzer das Thema Klimaschutz?
Laura Kukuk: Viele meiner Kunden sind fasziniert von Zukunftstechnologien, insbesondere mit Fokus auf eine nachhaltige Zukunft. Auf der einen Seite pflegen sie die Tradition und lieben es, ihr altes Auto komplett ohne technische Unterstützung zu fahren. Aber gleichzeitig sind sie auch mit alternativen Antriebstechnologien zukunftsweisend unterwegs. Ich glaube, dass die meisten dieser Enthusiasten neben dem Interesse am Automobil, ebenso durch die Technik fasziniert sind – und gar nicht vehement am Oldtimer festhalten müssen.
Springen wir in die Zukunft: Wie wichtig ist die Digitalisierung für eine gelungene Verkehrswende?
Daniel Zellinger: Sie ist entscheidend für die Nutzung kollektiver Verkehrsmittel. Attraktive Angebote allein reichen nicht, sie müssen auch smart geplant werden – nicht umsonst ist bei Flix die Tech-Abteilung der größte Bereich. Wir müssen wissen: Was wollen die Kunden wirklich? Oder: Wie verbinden wir die Fahrzeuge am intelligentesten miteinander? Wo bietet sich die Gelegenheit für einen Tankstopp? Das wird besonders in Zukunft immer wichtiger, denn es dauert natürlich länger, eine Batterie zu laden. Und was ist, wenn der Bus etwas verspätet kommt und dann kein Stecker mehr frei ist?
Laura Kukuk: Ein reibungsloser Wechsel zwischen den Verkehrsmitteln ist wichtig. Wenn ich am Bahnhof ankomme und mit dem Bus weiterfahren möchte, muss der dort bereitstehen. Im Idealfall leitet mich eine VR-Brille, die an eine App gekoppelt ist, durch den Bahnhof zur Bushaltstelle, das Ticket ist bereits bezahlt und ich muss mir keine Sorgen machen, ob ich den Bus überhaupt noch erwische. Diese Erfahrung muss positiv sein. Stehe ich da zwei Stunden herum und warte, mache ich das nie wieder.
Egal ob auf Social Media oder in der Eckkneipe, überall geht es hoch her, sobald Begriffe wie „Tempolimit“ oder „Lastenfahrrad“ fallen. Wie erklären Sie sich, dass die Frage nach individueller Mobilität emotional so aufgeladen ist?
Daniel Zellinger: Wahrscheinlich liegt es daran, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass ihnen etwas weggenommen wird. Verbote sind aber der falsche Weg, um die Leute zum Umdenken zu bewegen. Wichtiger ist es, gute und verlässliche Alternativen anzubieten.
Laura Kukuk: Man muss Lösungen schaffen und Wege ebnen. Ganz ehrlich, niemand steht gerne im Stau. Aber wenn ich Pendler wäre und wüsste, die Bahn fährt pünktlich vor meiner Haustür ab und für die letzte Meile steht auch schon ein Fahrrad für mich bereit, dann würde ich sofort umsteigen. Das würde doch jeder machen.
Inwiefern könnte die Politik unterstützend eingreifen – ohne Verbote auszusprechen?
Daniel Zellinger: Manchmal wäre etwas mehr Flexibilität wünschenswert. Ein Beispiel: In Köln dürfen unserer Busse nicht in der Innenstadt halten. Das bedeutet, dass die Leute erst raus aus der Stadt fahren müssen, um zur Haltestelle zu gelangen, und sich im Zweifel dann doch wieder ins Auto setzen, anstatt mit dem Bus zu fahren. Hier könnte die Politik etwas tun. Generell ist es so, dass wir in Deutschland schon sehr große Hürden haben, was die Regularien angeht. Wenn ich sehe, wie meine Kolleginnen und Kollegen hier in Berlin mit Stapeln von Papieren jonglieren, muss ich echt nur den Kopf schütteln. Der Vorteil ist, dass wir auf diese Weise bestens aufgestellt sind für die Arbeit in anderen Ländern. Weil wir wissen: komplizierter kann es nicht werden.
Beim Fotoshooting hat der knuffige Classic Mini sofort alle Herzen erobert. Und trotzdem: Ist Alltags-Mobilität mit Verbrennungsmotoren noch vertretbar?
Laura Kukuk: Natürlich. Wir dürfen uns nicht so starr versteifen und an die eine richtige Lösung klammern. Auch hier wird mit Verboten agiert, das Verbrenner-Aus für 2035 ist verabschiedet, aber zukunftsträchtige Alternativen mit funktionsfähiger Infrastruktur gibt es nicht. Zumindest für den Übergang, bevor die Infrastruktur für andere Antriebstechnologien steht, sollte man schauen, welche Lösung an welcher Stelle Sinn ergibt – und nicht von vornherein Verkehrsmittel streichen. Überhaupt gilt: Wenn wir über Mobilität von morgen reden, müssen wir über die von gestern reden. Das Automobil hat unsere Gesellschaft geprägt, es ist hier erfunden worden und hat eine der stärksten Industrien hervorgebracht. Denken wir nur mal an die Fünfzigerjahre, wo alle mit dem VW-Käfer los düsten und das neu gewonnene Freiheitsgefühl genossen. Da können wir nicht einfach sagen: Okay, vergessen wir diese, unsere, gesellschaftsprägende Geschichte. Das Auto ist ein Kulturgut. Und wenn wir die Mobilität der Zukunft planen, müssen wir uns fragen: Woher kommen wir, wo wollen wir hin? Eine Verkehrswende wird nur gelingen, wenn wir diese Historie am Leben erhalten und weiterdenken.
Laura Kukuks Blick auf Oldtimer ist gnadenlos analytisch. Als weltweit gefragte KFZ-Expertin begutachtet sie oft millionenschwere Fahrzeuge. Dafür setzt sie Ultraschallgerät, Endoskop und Spektroskop ein, nimmt Material- und Ölproben, kontrolliert am Rahmen, die Schweißpunkte und die Seriennummern. „Wie ein automobiler Sherlock Holmes“, lacht sie. Noch während Ihres Ingenieurstudium im Bereich Fahrzeugtechnik arbeitete sie als Entwicklungsingenieurin bei McLaren Automotive in England und parallel, bereits seit der Schulzeit, in dem Ingenieurbüro Ihres Vaters. Dipl.-Ing. Klaus Kukuk ist ein renommierter KFZ-Sachverständiger und legte seiner Tochter die Liebe zu Oldtimern in die Wiege. Heute führt sie gemeinsam mit ihrem Vater das vor knapp 40 Jahren gegründete Ingenieurbüro und ist gemeinsam mit ihren 10 Angestellten weltweit im Einsatz. Besonders hängt die Rheinländerin an ihrem ersten Auto, einem Mercedes 190 aus dem Jahr 1988, auch Baby-Benz genannt „Den hatte ich zwischendurch verkauft, habe ihn aber so vermisst, dass ich ihn wieder zurückkaufte.“
Daniel Zellinger beschäftigt sich als Teamleiter Flottenstrategie bei der FlixMobility GmbH hauptberuflich mit der Zukunft des Reisens. Das Münchner Start-Up eroberte mit FlixBus und FlixTrain in den letzten zehn Jahren sowohl den Asphalt als auch die Schienen. Das Besondere: Anstatt eine eigene Fahrzeugflotte aufzubauen, setzt Flix auf Kooperationen mit Busbetreibern. „Wir kümmern uns um die bedarfsorientierte Netzplanung, Marketing, Ticketverkauf“, erklärt Daniel Zellinger: „Und unsere Partner sorgen dafür, dass operativ alles klappt und stellen Fahrzeuge und Fahrer zur Verfügung.“ Ausnahme sind die 1000 Greyhound-Busse, die das Unternehmen vor zwei Jahren kaufte. Heute werden in 40 Ländern Europas und Amerikas von gut 4.000 Flix-Bussen über 5.500 Ziele angesteuert. Diese Zahlen werden sich aber schon bald nach oben schrauben, denn für 2024 plant FlixBus den Markteintritt in Indien.
Address
Kaldauer Höhe 11-13, 51491 Overath
Call Us
+49 (0) 2206 95 900
Email Us
info@kukuk.com